Der Antichrist (auch Anti-Messias) ist eine Gestalt der Endzeit, ähnlich dem jüdischen Armilus und dem islamischen Daddschāl, die als Gegenspieler von Jesu Christi vor dessen Wiederkunft erwartet wird. Der Begriff wurde in der Geschichte des Christentums auf verschiedene Art verwendet und gedeutet. In der hebräischen Bibel lehnt man den Antichristen als Begriff oder gar Person im Sinne eines Gegenspielers von Jesus Christus, den Gott zur Erlösung der Welt besiegen muss, generell ab. Im betonten Gegensatz dazu heißt es im zweiten Teil des Jesajabuches Kapitel 45: Jes 45,7: „Ich erschaffe das Licht und mache das Dunkel, ich bewirke das Heil und erschaffe das Unheil. Ich bin der Herr, der das alles vollbringt.
Im ersten Brief des Johannes wird der Begriff Antichrist verwendet, aber nicht als Person, sondern als geistige Haltung: 1 Joh 4,3: Und jeder Geist, der Jesus nicht bekennt, ist nicht aus Gott. Das ist der Geist des Antichrists, über den ihr gehört habt, dass er kommt. Jetzt ist er schon in der Welt. In den Evangelien ist der Begriff Antichrist hingegen unbekannt, nicht aber verwandte Ausdrücke, wie z. B. im Evangelium des Markus: Mk 13,22: Denn es wird mancher falsche Messias und mancher falsche Prophet auftreten und sie werden Zeichen und Wunder tun, um, wenn möglich, die Auserwählten irrezuführen. In der Offenbarung des Johannes wird in Kapitel 12 bis 14 die besondere Situation der Christen gegenüber der von gottesfeindlichen Mächten beherrschten Welt hervorgehoben. Kapitel 12 stellt den Kampf und Sturz des Drachen gegen den von der Frau geborenen Gottessohn dar, mit dem Ergebnis, wie es Offb 12,9 beschreibt: Er wurde gestürzt, der große Drache, die alte Schlange, die Teufel oder Satan heißt und die ganze Welt verführt; der Drache wurde auf die Erde gestürzt und mit ihm wurden seine Engel hinabgeworfen. Damit wird der Drache mit Satan identifiziert, der als Schlange die Menschen zum Ungehorsam gegen Gottes Gebot verführt (Gen 3,1–5)
Eine andere Deutung des Antichristen findet sich im Adsos Kompendium: Der mittelalterliche Theologe und Gelehrter Adso von Montier-en-Der verfasste um 950 das Kompendium Libellus de ortu et tempore Antichristi („Büchlein von Ursprung und Zeit des Antichrist“). In dem Handbuch fügte er alle ihm damals verfügbaren altkirchlichen Dokumente zum Thema Antichrist als weitestgehend widerspruchsfreies Gesamtbild in Form eines Lebenslaufs mit 15 Stationen ein:
Der Antichrist ist nicht wie Christus von einer Jungfrau geboren, sondern stammt von Juden aus dem Stamm Dan ab. An seiner Zeugung war der Teufel als Incubus beteiligt. Der Antichrist wird in Babylon geboren und aufwachsen. Dort wird er von Zauberern und falschen Propheten erzogen und von Dämonen umschwärmt. Er wird den Jerusalemer Tempel wieder aufbauen, sich beschneiden lassen und zum Gottessohn erklären. Von dort aus wird er seine Weltherrschaft mit Schrecken (Terror), Bestechung und Wundertaten aufrichten. Er wird seine Boten überallhin aussenden, Könige und ihre Völker zu sich bekehren und zugleich die Stätten, an denen Jesus wirkte, zerstören. Sich widersetzende Christen wird er ermorden. Nur die Macht des Frankenreiches hält ihn noch auf, bis schließlich auch der letzte Frankenkaiser in Jerusalem Zepter und Krone niedergelegt hat. Dann bricht seine Macht voll hervor. Dreieinhalb Jahre vorher werden die wiedergeborenen biblischen Propheten Henoch und Elija die Gläubigen vor ihm warnen; dann wird er sie töten und die Christen weitere dreieinhalb Jahre lang verfolgen. Die Juden und fast alle übrigen Menschen werden ihn als ihren Messias anerkennen. Seine Anhänger tragen ein Zeichen auf der Stirn. Danach wird Christus oder der Erzengel Michael erscheinen und ihn auf dem Ölberg vernichten. Den abgefallenen Christen bleiben dann noch 40 Tage zur Umkehr vor dem Endgericht. Eine interessante These zum Antichrist vertrat Luther. Seit Mitte 1520 war er überzeugt, das Papsttum sei der Antichrist. Diese Überzeugung vertrat er bis an sein Lebensende. Zur Begründung für das antichristliche Wesen des Papsttums nannte Luther folgende Merkmale:
Als weiteres eindeutiges Merkmal hob Luther die Vermischung von weltlicher und geistlicher Macht hervor: Daraus folgen unvermeidbar unersättliche Habsucht und Korruption der Päpste und des Klerus. Das beweise die dunkle Geschichte der Päpste zur Genüge. Intrigen, Verschwörungen, Morde und Verfolgungen waren an der Tagesordnung. Das Schicksal der Albigenser, eine Untergruppe der Katharer, ist typisch für das Vorgehen der Päpste. Papst Innozenz III. begann 1209 einen Kreuzzug gegen diese harmlose religiöse Gruppierung, der bis 1229 dauerte und als Albigenserkrieg bekannt wurde. Beim Massaker von Béziers wurden 20.000 Menschen getötet. Die Albigenser wurden dabei brutal vernichtet und weite Teile Südfrankreichs in Schutt und Asche gelegt. Papst Gregor IX. war es dann, der 1231 Dominikaner und Franziskaner zu "Inquisitoren" ernennt und sie mit dem Kampf gegen Häretiker (Gotteslästerer / Ketzer betraut. Die Inquisitoren des Mittelalters kannten keine Gnade. Andersdenkende wurden verhört, gefoltert und getötet. Mehr als 500 Jahre lang ging die Kirche gegen sogenannte Häretiker, diejenigen, die von der offiziellen Kirchenlehre abweichen, vor. Machtgier und Laster bildeten immer wieder die eigentliche Triebkraft der päpstlichen Politik, die über Jahrhunderte die Geschicke Europas bestimmte. Im Papst bekämpfe und zerstöre der Teufel die drei Stände Obrigkeit, Kirche und Familie, die die Grundlage für Gottes guter Schöpfung seien. Auch die christliche Kirche mit ihrem korrupten Klerus und ihrer Anhäufung riesigen materiellen Reichtums seien ein Machwerk Satans und der Papst als ihr Oberhaupt der Antichrist. Der Anspruch des Papstes als oberster Herr der Gesamtkirche und Stellvertreter Christi auf Erden – ist aus der Bibel nicht stichhaltig abzuleiten und wird, abgesehen von der römisch-katholischen Kirche, von allen übrigen Kirchen nicht anerkannt.
Ob man nun an den Antichristen glaubt oder nicht, letztendlich ist die Frage entscheidend, wann er kommt, oder ob er schon da ist. Laut
1 Joh 4, 3
ist er schon da.