Jericho ist eine Stadt am Westufer des Jordans, etwa sieben Kilometer westlich der Grenze zu Jordanien und etwa zehn Kilometer nördlich vom Toten Meer. Im Neuen Testament wird die Stadt wiederholt erwähnt: so trifft Jesus nach Lk 19,1–10 in Jericho auf den Zöllner Zachäus, und nach Mk 10,46–52 soll er hier die Heilung des Blinden Bartimäus bewirkt haben. Auf dem Berg der Versuchung (arabisch: Jabal al Qurunţul) in der Nähe von Jericho soll er 40 Tage lang gefastet und den Versuchungen des Satans widerstanden haben (Mt 4,1–4). Nach dem Buch Josua wurde das von Jebusitern bewohnte Jericho bei der Landnahme als erste Stadt westlich des Jordan von den Israeliten erobert und zerstört. 1 Kön 16,34: In seinen Tagen baute Hiël aus Bet-El Jericho wieder auf. Um den Preis seines Erstgeborenen Abiram legte er die Fundamente und um den Preis seines jüngsten Sohnes Segub setzte er die Tore ein, wie es der Herr durch Josua, den Sohn Nuns, vorausgesagt hatte. Jos 6,1-5: Jericho hielt wegen der Israeliten die Tore fest verschlossen. Niemand konnte heraus und niemand konnte hinein. Da sagte der Herr zu Josua: Sieh her, ich gebe Jericho und seinen König samt seinen Kriegern in deine Gewalt. Ihr sollt mit allen Kriegern um die Stadt herumziehen und sie einmal umkreisen. Das sollst du sechs Tage lang tun. Sieben Priester sollen sieben Widderhörner vor der Bundeslade hertragen. Am siebten Tag sollt ihr siebenmal um die Stadt herumziehen und die Priester sollen die Hörner blasen. Wenn das Widderhorn geblasen wird und ihr den Hörnerschall hört, soll das ganze Volk in lautes Kriegsgeschrei ausbrechen. Darauf wird die Mauer der Stadt in sich zusammenstürzen; dann soll das Volk hinübersteigen, jeder an der nächstbesten Stelle.
Jericho erhielt während der Frühbronzezeit (3000–2200 v. Chr.) zwei Ringmauern. Ende der Frühbronzezeit ist eine Zerstörung der Stadt durch eine Brandkatastrophe festzustellen, möglicherweise durch ein Erdbeben verursacht. Kanaanäische Siedler erbauten auf den Stadtruinen Jerichos erst 400 Jahre danach die Stadt wieder auf und umgaben sie mit einem Stadtwall. Vom Ende der mittleren Bronzezeit I-III war Jericho von einer imposanten Wehranlage umgeben, wie dies bei vielen anderen Städten zu dieser Zeit der Fall war. Zwischen einer steinernen Stützmauer unten am Tell und einer roten Lehmziegelmauer war eine Befestigungsrampe bzw. ein verputztes Glacis konstruiert worden (mit einer Schräge von 35 Grad), um die Eroberung der Stadt deutlich zu erschweren. Die Stadt wurde dann gegen Ende der mittleren Bronzezeit – um 1550 v. Chr. – durch eine gravierende Feuersbrunst zerstört. Archäologen fanden zusätzliche Hinweise auf ein Erdbeben, das zu dieser Zeit für den Untergang der Stadt mitverantwortlich gewesen war. Grabungen bestätigen, dass die zerstörten früheren Stadtmauern nicht wieder aufgebaut wurden und der Ort (Tell es-Sultan) in der Spätbronzezeit (1550–1150 v. Chr.) keine Stadtmauer besaß. Wenn die Zerstörung tatsächlich bereits im 16. Jh. geschah, ist ein Zusammenhang mit der biblisch beschriebenen Landnahme der Israeliten unter Josua 1200 v. Chr. nicht herstellbar. Wenn aber ein historischer Kern der biblischen Geschichte in der Zerstörung der mittelbronzezeitlichen Stadtmauer gesehen wird, wäre Josuas Landnahme deutlich früher anzusetzen (16. Jh.) als die kritische Forschung (13.-12. Jh.; → Landnahme) es tut. Bei archäologischen Grabungen um 1909 in Jericho fanden die Archäologen eine eingestürzte Mauer, die auf 1200 v. Chr., datiert wurde. Das würde Josua und seine Geschichte vom Kampf um Jericho stützen. Später stellte sich leider heraus, dass man sich um rund 1000 Jahre geirrt hatte. Die Mauer stammte aus der Zeit 2300 v. Chr. war also viel älter.
Bleibt die Frage, ob Jericho tatsächlich durch Trompeten zum Einsturz gebracht wurde, wie die Bibel es sagt? Der Klang von Trompeten, genauer sieben Schofaren (Hallposaunen), soll den Einsturz der Stadtmauern verursacht haben. Eine mögliche Erklärung für den Einsturz der Mauern von Jericho wurde in der Nähe von Jericho gefunden. Vor rund 3600 Jahren zerstörte ein gewaltiger Meteoriteneinschlag die Siedlung Tall el-Hammam rund 22 Kilometer östlich von Jericho. Die Explosion muss ähnlich stark gewesen sein wie diejenige, die ein Meteorit im Jahr 1908 im sibirischen Tunguska verursachte. Die Temperaturen müssen bei dem Einschlag um die 2000 Grad Celsius betragen haben. Die Druckwelle ebnete sämtliche Gebäude ein und ließ nur die Grundmauern stehen. Die Energie der Explosion hätte zudem ausgereicht, um etwa eine Minute später auch die Mauern des nahen Jericho zu zerstören.
Doch die Bibel behauptet, es sei der Klang von Trompeten gewesen, der die Mauern einstürzen ließ. Können massive Mauern durch Schall zum Einsturz gebracht werden? Die Wissenschaft sagt NEIN. Schall unterteilt sich in verschiedene Frequenzbereiche: Der für den Menschen hörbare liegt zwischen 16 Hertz und 20 Kilohertz - je nach Alter. Der Bereich darunter wird Infraschall genannt, der über 20 Kilohertz Ultraschall. Tieffrequente Schallwellen erzeugen außerhalb des menschlichen Hörbereichs wahrnehmbare Vibrationen. Je nach Frequenzbereich der Vibration können bei längerem Auftreten solcher mechanischen Schwingungen (= beständige Vibration) Materialermüdungen auftreten. Auch Gebäudeschäden (z. B. durch den Lärm von Eisenbahnen) sind möglich. Doch das sind langfristige Effekte. Die Bibel spricht von sieben Tagen, in denen Schallwellen erzeugt wurden, die die Mauern von Jericho schließlich einstürzen ließen. Das ist wissenschaftlich nicht haltbar. Vielleicht hat der Einsturz aber etwas mit der
Bundeslade zu tun. Sie ist seit über 2000 Jahren verschollen. Der Legende nach soll sie die Macht Gottes enthalten und von den Israeliten als Waffe in die Schlacht getragen worden sein. Das erste Buch Samuel erzählt von der Niederlage Israels gegen die Philister, als die Bundeslade als eine Art Waffe eingesetzt werden sollte:
„Wir wollen die Bundeslade des Herrn aus Schilo zu uns holen; er soll in unsere Mitte kommen und uns aus der Hand unserer Feinde retten“
(1 Sam 4,3). Doch die Philister siegten und holten die Lade als Trophäe nach Hause. Sie brachten die Lade Gottes von Eben-Eser nach Aschdod. Aber sie brachte Unglück über die Stadt, in der sie gelagert wurde, sodass die Philister sie nach sieben Monaten nach Israel zurückschickten. Die Bundeslade besaß der Bibel nach erstaunliche Macht. Beim Auszug der Israeliten aus Ägypten teilte die Lade das Wasser des Jordan. Als sie um Jericho getragen wurde, brachte sie vielleicht auch die Stadtmauern zum Einsturz. Solange sie nicht gefunden und untersucht werden kann, bleibt die Frage, was die Mauern von Jericho zum Einsturz brachte unbeantwortet.
Gemäß (1 Kön 6,1) fand der Exodus 480 Jahre vor dem Tempelbau statt, also je nach Datierung der Regierungszeit Salomos ca. 1460/1440 vor Christus, die Landnahme also im späten 15. Jh., evtl. auch im späten 16. Jh., in der frühen Phase der Spätbronzezeit. Heutige Theologen und Historiker datieren die Landnahme seit Längerem auf das späte 13. Jh. datiert, also gegen Ende Spätbronzezeit. Der archäologische Befund scheint ihnen recht zu geben. Laut den Angaben im Buch Numeri eroberten die Israeliten im Ostjordanland folgende Orte: Horma, Heschbon, Jaser, Baschan etc. ohne diese zu zerstören. Nach dem Buch Josua wurden die Orte Jericho (Jos 6), Ai (Jos 8), Makkeda (Jos 10,28), Hebron (Jos 10,36f) und Hazor (Jos 11,11) nicht nur erobert, sondern auch zerstört oder niedergebrannt. Einige dieser Orte konnten mehr oder weniger sicher identifiziert und archäologisch untersucht werden. Doch für keinen der identifizierten Orte fanden sich Spuren von Zerstörung und Neubesiedlung aus der fraglichen Zeit. Jericho soll um 1550 v. Chr. durch eine Feuersbrunst zerstört worden sein und bestand bis 1300 v. Chr. nur noch als unbefestigtes Dorf, wurde dann aufgegeben und erst wieder ab 1100 neu besiedelt. Es hatte wie alle kanaanäischen Orte keine Stadtmauern. Jericho war in der Zeit, als die Landnahme stattgefunden haben soll, wahrscheinlich überhaupt nicht besiedelt. Die neuere Forschung nimmt daher meist Abstand von einer „Einnahme“ Jerichos durch Israeliten.