Das
in der
Grabtuchkapelle
des
Turiner Doms aufbewahrte
Turiner Grabtuch
zeigt ein Ganzkörper-Bildnis der Vorder- und Rückseite eines Menschen. Sein Leib weist deutliche Anzeichen von Folter und Kreuzigung auf. Das Leinentuch, mit dem verschwommenen Abbild eines bärtigen Mannes im mittleren Alter, mit langen Haaren und Bart gilt vielen Christen als das Grabtuch Christi, dem sich durch ein Wunder bei der Auferstehung das Abbild des Gottessohns eingeprägt haben soll.
Als im Jahr 1204 die Kreuzritter auf ihrem vierten Kreuzzug die Stadt Konstantinopel eroberten, fiel einem Franzosen namens Otto de La Roche ein Leinentuch als Beutestück in die Hände. Das Tuch, das 4,36 Meter in der Länge und 1,10 Meter in der Breite maß, wies Blut- und Schweißspuren auf. Bei genauerem Hinsehen waren die Umrisse eines menschlichen Körpers, der etwa 1,80 Meter groß gewesen sein muss, verschwommen sichtbar. Otto de La Roche nahm das Leinentuch mit nach Frankreich. So berichtet es der Historiker Robert de Clari. Er nahm zusammen mit seinem Bruder, dem Mönch Alleaume de Clari, am Vierten Kreuzzug teil und verfasste eine Chronik desselben. Bis zum 5. oder 6. Jahrhundert soll sich das Tuch in Jerusalem befunden haben. Der Überlieferung nach soll es sich um das Leichentuch handeln, in dem Jesus von Nazaret nach der Kreuzigung begraben wurde. Von der katholischen Kirche wird das Tuch jedoch nicht als Reliquie, sondern als Ikone, also als ein Kunstgegenstand, eingestuft.
Das Tuch war und ist immer noch Gegenstand einer intensiven Debatte unter Theologen, Historikern und anderen Forschern. Befürworter der Echtheit des Grabtuches sehen in dem Tuch ein nicht von Menschen geschaffenes Bildnis, ein sogenanntes Acheiropoieton. Neben dem Turiner Grabtuch gibt es aber noch weitere Tücher, die den Anspruch erheben, Christi Leichentuch zu sein:
das Schweißtuch der heiligen Veronika, der Schleier von Manoppello,
das Schweißtuch von Oviedo
und das
Abgar-Bild.
Die Heilige Veronika soll Jesus das Tuch auf dem Weg zur Kreuzigung gereicht und mit dem Abdruck seines Gesichts zurückerhalten haben. Die Ursprünge dieser Legende liegen im apokryphen Nikodemusevangelium. Seit dem achten Jahrhundert soll sich das Tuch in Rom befinden, wo es heute in einer Kapelle oberhalb des Veronikapfeilers im Petersdom aufbewahrt wird. Auf dem Schweißtuch der Veronika ist, wie bereits Luther bei einem Besuch in Rom konstatierte, kein Gesicht mehr zu erkennen. Die Jahrhunderte haben offensichtlich ihre Spuren hinterlassen, sodass das Tuch heute wie schwarz gefärbt wirkt. Beim Schleier von Manoppello wird vermutet, dass es sich um eine Textilie handele, die zusammen mit dem Turiner Grabtuch und weiteren Tüchern aus dem Grab Jesu in Jerusalem stamme. Der 17,5 Zentimeter breite und 24 Zentimeter hohe Schleier aus Muschelseide zeigt das Gesicht eines Mannes im mittleren Alter, der Mund ist leicht geöffnet. Auch das Gesicht in Manoppello weist Wunden wie von einer Folterung auf, doch es erscheint plastischer, lebendiger als auf dem Grabtuch von Turin. Muschelseide ist ein kostbarer Stoff aus dem Drüsensekret verschiedener Muschelarten und kann nicht bemalt und nur sehr aufwendig gefärbt werden. Vielleicht ein Indiz dafür, dass das Bild auf dem Tuch kein künstliches Produkt sein kann? Schwer zu erklären ist jedenfalls folgender Umstand: Das Abbild auf dem Schleier müsste eigentlich verzerrt erscheinen, hätte es auf dem Gesicht eines Toten gelegen. Durch "digitales Übereinanderlegen" wurde auch herausgefunden, dass die Abbilder des Turiner Grabtuches und des Schleiers von Manoppello deckungsgleich sind und somit dasselbe Gesicht zeigen. Sie müssen sich somit keineswegs ausschließen, zumal der Evangelist Johannes auf mehrere Textilien im Grab Jesu hinweist. Im Rückgriff sowohl auf die einschlägige Bibelstelle des Johannes: Joh 20,6-7: Da kam auch Simon Petrus, der ihm gefolgt war, und ging in das Grab hinein. Er sah die Leinenbinden liegen und das Schweißtuch, das auf dem Kopf Jesu gelegen hatte; es lag aber nicht bei den Leinenbinden, sondern zusammengefaltet an der Seite, sowie einige kirchengeschichtliche Texte, die sich angeblich auf die Tücher beziehen, wird die These aufgestellt, auch der 17,5 cm breiter und 24 cm hoher Schleier sei eine originale Bildquelle vom menschlichen Antlitz Gottes. In der Kathedrale San Salvador im nordspanischen Oviedo wird ein weiteres Tuch aufbewahrt, dass den Anspruch erhebt, das Schweißtuch Jesu zu sein. Es ist allerdings stark zerknittert und verschmutzt. Ein Gesicht ist auf dem Leinen kaum mehr zu erkennen, dunkle Flecken – möglicherweise Blut – deuten aber eines an. Ein Radiokohlenstofftest ergab als Entstehungszeit das siebte Jahrhundert. Und schließlich gibt es noch das Abgar-Bild, das einzige Abbild, das zunächst nichts mit der Passion und Grablegung Jesu zu tun hat. Das Tuch ist heute verschollen.
Das Schweißtuch von Oviedo (spanisch: Santo Sudario) ist eine Reliquie, die in der Cámara Santa der Kathedrale von Oviedo in Oviedo in Spanien aufbewahrt wird. Der Tradition nach handelt es sich um ein Tuch, das vor der Bestattung Jesu Christi um den Kopf seiner Leiche gewickelt war. Es handelt sich um ein etwa 84 × 53 cm großes, stark verschmutztes, eingerissenes Leinentuch, mit Brand- und Blutspuren. Die Flecken sind symmetrisch angeordnet und bestehen aus menschlichem, männlichem Blut der Gruppe AB und sechs Teilen ödematöser Lungenflüssigkeit, einer Substanz, die sich nach dem Tod durch Ersticken – wie es bei einer Kreuzigung der Fall ist – in den Lungen ansammelt. Die Todesursache des Mannes, dessen Blut auf dem Schweißtuch von Oviedo erhalten ist, ist also dieselbe wie die des Mannes des Grabtuches. Das Tuch wurde eindeutig als Leichentuch genutzt. Im Gegensatz zum Turiner Grabtuch ist aber kein Bild zu erkennen. Es sind auch punktförmige Bluflecken vorhanden wie solche, die von kleinen, spitzen Gegenständen – Dornen beispielsweise – verursacht werden. Durch C14-Datierung wurde ermittelt, dass das Tuch aus dem 7. Jahrhundert datiert. Verschmutzungen des Tuches können diese Datierung aber beeinflusst haben und das Tuch auch älter sein. Es gibt weder Nachweise noch Anhaltspunkte dafür, dass das Santo Sudario vor dem 7. Jahrhundert existiert hat, schon gar nicht etwa zu der Zeit, als Jesus lebte. Im Chronicon Regum Legionensium des Bischofs Pelayo († 1153) aus dem 12. Jahrhundert wird berichtet, dass das Tuch 614, nach dem Einfall der Perser in Palästina, von dort zunächst nach Alexandria evakuiert, aber schon 616 über Nordafrika nach Spanien gebracht worden sei. Mikroskop-Analysen haben Pollenspuren und Spuren von Aloe und Myrrhe gezeigt. Zwei davon konnten typischen Pflanzen des damaligen Palästina: quercus calliprinos und tamarindus zugeordnet werden. Die anderen Pollen stammten aus Nordafrika und Spanien, was den Weg bestätigt, den das Schweißtuch laut der Erzählung von Bischof Pelagius zurückgelegt hat. Die auf dem Santo Sudario befindlichen Blutflecken sind in ihrer Zusammensetzung, dem Blutgruppentypus und der geometrischen Anordnung mit dem Turiner Grabtuch kompatibel. Auch das Material des Tuches ist mit dem des Turiner Grabtuches identisch, nicht aber die Webart; das Schweißtuch wurde rechtwinkelig gewebt, das Grabtuch dagegen weist ein Fischgrätmuster auf. Einige der wissenschaftlichen Ergebnisse scheinen darauf hinzuweisen, dass das Schweißtuch von Oviedo und das Grabtuch mit ein und derselben Person in Kontakt gekommen sind. Es kann aber nicht mit Sicherheit gesagt werden, ob es sich bei dem Schweißtuch von Oviedo tatsächlich um das Schweißtuch handelt, das Johannes gesehen hat und das er im Evangelium erwähnt. Joh 20,6-7: Da kam auch Simon Petrus, der ihm gefolgt war, und ging in das Grab hinein. Er sah die Leinenbinden liegen und das Schweißtuch, das auf dem Kopf Jesu gelegen hatte; es lag aber nicht bei den Leinenbinden, sondern zusammengebunden daneben an einer besonderen Stelle.
Das Volto Santo (ital. „Heiliges Antlitz“) ist ein 17,5 cm breiter und 24 cm hoher Schleier, der in Manoppello seit dem 17. Jahrhundert in der Kapuzinerkirche Santuario del Volto Santo auf dem Tarignihügel außerhalb der Stadt aufbewahrt wird. Einige Autoren vermuten, dass es sich beim Schleier von Manoppello um eine Textilie handele, die zusammen mit dem Turiner Grabtuch und weiteren Tüchern aus dem Grab Jesu in Jerusalem stamme. Das Schleiertuch zeigt allerdings keinerlei Blutspuren im Vergleich zum Grabtuch von Turin. Es kann also keinerlei direkten Kontakt zum Mann im Grab gehabt haben. Allerdings sind von Schlägen verursachte Blutergüsse an der Nase und einer Augenhöhle erkennbar. Das Jesus auf den Kopf geschlagen wurde, belegen mehrere Bibelstellen: Mt 27,30: Und sie spuckten ihn an, nahmen ihm den Stock wieder weg und schlugen ihm damit auf den Kopf. Joh 19,3: Sie stellten sich vor ihn hin und sagten: Heil dir, König der Juden! Und sie schlugen ihm ins Gesicht. Mk 15,19: Sie schlugen ihm mit einem Stock auf den Kopf und spuckten ihn an, knieten vor ihm nieder und huldigten ihm.
Naturwissenschaftliche Untersuchungen des Schleiers sind schwierig, da keine Materialproben entnommen werden dürfen. Prof. Pietro Baraldi von der Universität Modena führte mit einem Forscherteam am 30. April 2007 Messungen mit einem Raman-Mikroskop, einem tragbaren Konfokalmikroskop durch. Dessen Ergebnisse wurden allerdings von ihm selbst nicht veröffentlicht, sondern liegen nur im Archiv des Santuario del Volto Santo vor. Baraldi teilte jedoch mit, das Farbspuren auf dem Schleiertuch zu erkennen seien, diese aber nicht spektroskopisch nachgewiesen werden konnten. Das Ramanmikroskop hatte nichts angezeigt, sondern dem Schleierbild eine vollkommene Leere bescheinigt. Organische Farbstoffe würden sich aber ohnehin einer Raman-spektroskopischen Untersuchung zumeist entziehen, weil sie keine Raman-Streuung aufweisen. Baraldi gab an es handele sich bei dem Bild um eine einzige Substanz, das Bild sei vollkommen uniform, wie aus einem GUSS und einem Material. Das Bild sitzt sozusagen substanzlos im Tuch des Schleiergewebes. Keine von den im Schleier sichtbaren Farben dürfen als Pigmente interpretiert werden. Es handelt sich um ein anderes, bisher nicht geklärtes Phänomen.
Das rätselhafteste unter den Tüchern ist aber zweifellos das Grabtuch von Turin. Das aufgrund fortschreitender Technik erstmals im Jahr 1998 angefertigte Negativbild eines Fotos des Grabtuches lieferte starke Indizien für dessen Echtheit. Im Negativ kehrt die fotografische Platte die Abdrücke auf dem Leinen in den Schwarz-Weiß-Werten um. Das Negativ zeigte wesentlich mehr als den blassen Abdruck, den das bloße Auge auf dem Tuch sehen kann. Nähere Untersuchungen ergaben außerdem, dass das Negativbild verblüffend natürlich und anatomisch plastisch getreu ist. Die Gesichtszüge sind nämlich, wie bei jedem Menschen, rechts und links verschieden. Diese Unregelmäßigkeiten wurden von Künstlern im frühen Mittelalter jedenfalls noch nicht beachtet. Versuche mit Malern ergaben, dass keiner in der Lage war, selbst nach einem Modell ein menschliches Gesicht naturgetreu ins Negativ umzudenken und zu malen. Daher konnte das Turiner keine Fälschung sein, denn es zeigt eindeutig den Abdruck eines menschlichen Gesichts. Selbst Kunstsachverständige mussten zugeben, dass es nicht negativ bemalt sein kann, das ist schlichtweg niemandem möglich. 1978 kommt es zum Forschungsprojekt STURP. Ein 30köpfiges Team von Wissenschaftlern untersucht das Tuch. Sie bestätigen dass sie auf dem Grabtuch ca. 400 Spuren echten Blutes der Blutgruppe AB und folgende Gensegmente: Beta Globin Gensegment von Chromosom 11, Amelogin Y Gensegment von Chromosom Y [3] und Amelogin X Gensegment von Chromosom X festgestellt haben. 1981 schrieb STURP in seinem Abschlussbericht: Wir können vorerst den Schluss ziehen, dass es sich bei dem Grabtuchbild um die reale menschliche Form eines gegeißelten, gekreuzigten Mannes handelt. Es ist nicht das Produkt eines Künstlers. Die Blutflecken bestehen aus Hämoglobin und führen ebenfalls zu einem positiven Test auf Serumalbumin. Das Bild ist ein fortwährendes Rätsel, und bis weitere chemische Studien durchgeführt werden, vielleicht von dieser Gruppe von Wissenschaftlern oder vielleicht von einigen Wissenschaftlern in der Zukunft, bleibt das Problem ungelöst. Dem Team wird aufgrund seiner religiösen Überzeugung Voreingenommenheit vorgeworfen. Zudem kommt ein anderes Mitglied des Teams zu dem Schluss, dass die Abbildungen nicht durch Blut, sondern Ocker und Zinnoberpigmente entstanden seien, wie sie im Mittelalter in der Kunst verwendet wurden. Dann der Schock. Laut einer 1988 vorgenommenen Radiokarbon-Datierung stammt das Leinen aus der Zeit zwischen 1260 und 1380. Ist das Tuch also eine Fälschung aus dem Mittelalter? Der italienische Physiker Giulio Fanti von der Universität Padua sagt nein. Er argumentiert, das Grabtuch sei nach Brandschäden im Mittelalter von französischen Nonnen mit Stoffflicken restauriert geworden. Bei der Radiocarbon-Datierung sei eine Stoffprobe entnommen worden, die nicht zu dem Originaltuch gehört habe. " Diese hätten das Ergebnis verfälscht. Die entnommene Probe habe komplett andere chemische Eigenschaften als der Hauptteil der Reliquie gehabt". Der Leiter des Oxforder Labors, Christopher Ramsey, hat später auch zugegeben, dass die Ergebnisse aus 1988 nicht beweiskräftig wären. Fanti kam jedoch nach einer eigenen Untersuchung zu dem Schluss, dass das Leinen mit 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit aus der Zeit um 33 vor Christus stammt –Abweichungen möglich. Anhand von Pollenspuren auf dem Tuch, dem Material und der Fertigungsart will er das belegen. Fakt ist jedenfalls, dass sich das Abbild auf dem Tuch mit seinen ungewöhnlichen Eigenschaften bis in die Gegenwart nicht wissenschaftlich reproduzieren lässt. Eine weitere Entdeckung, die Rätsel aufgibt, sind Abdrücke kleiner Münzen auf dem Tuch. Forscher datieren diese auf das Jahr 29 – in die Zeit des Pontius Pilatus. Weitere wissenschaftliche Untersuchungen belegen ebenfalls die Echtheit des Abdrucks. Ein Abgleich der Untersuchungsergebnisse mit den biblischen Berichten ergab verblüffende Übereinstimmungen. Entsprechende Versuchsreihen belegen, dass der menschliche Körper eingepudert und das Tuch mit aromatischem Öl angefeuchtet sein muss: Joh. 19,40-41: Es kam auch Nikodemus, der früher einmal Jesus bei Nacht aufgesucht hatte. Er brachte eine Mischung aus Myrrhe und Aloe, etwa hundert Pfund. Sie nahmen den Leichnam Jesu und umwickelten ihn mit Leinenbinden, zusammen mit den wohlriechenden Salben, wie es beim jüdischen Begräbnis Sitte ist. Um einen unverzerrten Abdruck zu erzeugen, muss das Haupthaar ein enges seitliches Anliegen des Tuches am Kopf verhindert haben. Der Abdruck im Turiner Tuch weist Anschwellungen im Gesicht auf. Diese könnten von Schlägen herrühren: Mt. 26, 67: Dann spuckten sie ihm ins Gesicht und schlugen ihn. Andere ohrfeigten ihn. An der Stirn und im Nacken sind deutliche Blutflecken zu erkennen: Joh 19, 2: Und die Kriegsknechte flochten eine Krone von Dornen und setzten sie auf sein Haupt. Auch am übrigen Körper sind kleine Schwellungen sichtbar: Joh. 19,1: Darauf ließ Pilatus Jesus geißeln. Außerdem sind Blutspuren am Körper zu erkennen. Es rührt aus den Nagelwunden aus Händen und Füssen und aus einer Seitenwunde am rechten Brustkorb. Auch hier finden sich wieder Übereinstimmungen mit den biblischen Berichten. Joh. 19, 34: , sondern einer der Soldaten stieß mit der Lanze in seine Seite, und sogleich floss Blut und Wasser heraus. Das Turiner Tuch lässt zudem genau die Stellen erkennen, wo genagelt wurde. Die Nägel wurden nicht durch die Handflächen getrieben, wie es künstlerische Darstellungen zeigen, sondern unten durch die Handwurzel getrieben. Das hat auch medizinische Gründe. Eine Nagelwunde im Handteller würde bereits bei einer Belastung von 40 Kilogramm reißen. Der Körper würde vom Kreuz fallen. Im Handgelenk hingegen verläuft quer eine breite Sehne, die stark genug ist, das Gewicht des menschlichen Körpers auszuhalten. Des Weiteren behaupten einige Mediziner an den Wundspuren zweierlei Blut erkennen zu können. Blut, das noch zu Lebzeiten geflossen sein muss - dieses Blut befindet sich am Kopf, an Händen und Füßen - und Leichenblut an der Seitenwunde und auch an den Füßen. Joh 19,33- 34: Als sie aber zu Jesus kamen und sahen, dass er schon tot war, zerschlugen sie ihm die Beine nicht, sondern einer der Soldaten stieß mit der Lanze in seine Seite, und sogleich floss Blut und Wasser heraus.
1354 erstmals erwähnt, wurde das Grabtuch 1389 vom örtlichen Bischof von Troyes als Fälschung denunziert. 1936 bezeichnete Papst Pius XII. das Grabtuch als „heiliges Ding, vielleicht wie nichts anderes“ und billigte die ihm zuteil gewordene Verehrung als das Heilige Antlitz Jesu. 1998 bezeichnete Papst Johannes Paul II. das Grabtuch als „ausgezeichnete Reliquie “ und „Spiegel des Evangeliums“. Sein Nachfolger, Papst Benedikt XVI., nannte es eine "Ikone, die mit dem Blut eines Gepeitschten geschrieben, mit Dornen gekrönt, gekreuzigt und auf seiner rechten Seite durchbohrt ist". Derzeit befürwortet die katholische Kirche das Leichentuch weder offiziell noch lehnt es ab. Zuletzt im Jahr 2013 bezeichnete Papst Franziskus das Leichentuch als „Ikone eines gegeißelten und gekreuzigten Mannes“.
Doch einige der Indizien sind es wert, weiterverfolgt zu werden. Auch wenn die letzten Tests des Grabtuchs, mehr Fragen aufgeworfen haben, als sie beantworteten. Ein großes Problem besteht darin, dass Wissenschaftler kaum Zugang zum Tuch erhalten. Die aktuellste wissenschaftliche Untersuchung wurde von Ray Rogers, einem Chemiker aus Los Alamos (USA) durchgeführt. Auch er behauptet der 1988 durchgeführte Radiokohlenstofftest sei fehlerhaft gewesen. Die Kollegen von damals hätten nicht Original-Fasern untersucht, sondern Fäden, die irgendwann irgendwo von irgendjemandem in das Tuch hineingewebt worden seien, um irgendwelche Fehler auszubessern oder zu überdecken. Monsignor Giuseppe Ghiberti, der Grabtuch-Beauftragte der Erzdiözese Turin, widerspricht Rogers: Einwebungen, wie dieser sie annehme, gebe es schlicht und einfach nicht. Das hätten umfangreiche Untersuchungen von 2002 eindeutig bestätigt. Rogers hingegen besteht darauf das Leinen sei „zwischen 1300 und 3000 Jahren alt“. Es könnte also aus der Zeit Jesu stammen. Er hat auch eine neue Datierungsmethode entwickelt und angewandt: Er sucht nach Vanillin. Der Stoff entsteht, wenn der im Flachs enthaltene Holz-Grundstoff Lignin zerfällt. Wäre das Leinen erst im 13. Jahrhundert entstanden, müssten in seinem Lignin noch 37 Prozent Vanillin zu finden sein, sagt Rogers. Da in den Fasern des Grabtuchs aber das Vanillin zur Gänze verschwunden sei, sei dieser Stoff zwangsläufig älter. Doch seine Gegner argumentieren Rogers’ Datierungsmethode sei wissenschaftlich neu und bisher nirgendwo abgesichert.
Die italienische Historikerin und Handschriften-Expertin im Vatikanischen Geheimarchiv Barbara Frale hat nach eigenen Angaben einen fast unsichtbaren Text auf dem Grabtuch von Turin entdeckt. Die blassen Schriftzüge wären bei einer Computeranalyse 2009 sichtbar geworden. Dieser sei ein weiteres gewichtiges Indiz für die Authentizität des Grabtuchs, in dem der Überlieferung zufolge Jesus von Nazareth nach der Kreuzigung beigesetzt wurde. Für das bloße Auge inzwischen unsichtbar, enthält der Stoff angeblich griechische und aramäische Schriftzeichen. Aramäisch ist die Sprache, die Jesus sprach. Die Zeichenfolgen konnten als "esou" und "nazarenos" entiffert werden, was Jesus der Nazarener bedeuten kann. Dazu ein hebräischer oder aramäischer Wortfetzen, der an einen Urteilsspruch denken lässt, und die Buchstaben "iber": Laut Frale womöglich ein Verweis auf Kaiser Tiberius (14-37 n. Chr.), um dessen 16. Regierungsjahr herum die Kreuzigung Jesu stattfand. Frale vermutet, dass der Text von einer Schreibkraft auf ein Dokument geschrieben worden sei, um den Leichnam zu identifizieren. Dabei sei die Tinte in das Tuch gesickert. Wenn die Beobachtung zutrifft, so Frale, müsste das Tuch aus der Zeit vor dem Jahr 70 stammen. Wenn die Beobachtungen und ihre Interpretation zuträfen, müsste es das Originaldokument der Bestattung Jesu sein. Die Angaben Frales stießen bei anderen Wissenschaftlern auf Skepsis, die das Grabtuch für eine von Menschen hergestellte Fälschung halten. Ihre Hypothese stützt Frale auch auf eine ähnliche Beobachtung des französischen Technikers Thierry Castex. Dieser will bereits 1994 mit einem physikalisch-optischen Verfahren schwache Zeichen auf dem Gewebe ausgemacht haben, die er nicht deuten konnte. Frale erhielt die betreffenden Computeraufnahmen von Castex und legte sie - ohne die Herkunft zu verraten - zwei Spezialisten für Hebraistik vor. Beide kamen unabhängig voneinander zum gleichen Ergebnis: Die noch lesbaren aramäisches Buchstaben ergeben ein Wort mit dem Sinn "wir haben gefunden". Die Buchstaben finden sich dort, wo das Tuch das Gesicht bedeckte, etwas unterhalb des Kinns. Nach Darstellung Frales sind es bloße Spuren chemischer Reaktionen von einem Dokument, das einmal an dieser Stelle lag und dessen Schrift sich auf dem Gewebe abzeichnete wie bei eng aufeinanderliegenden Seiten eines mit Tinte geschriebenen Kodex. Auch wenn der aramäische Text sinnlos erscheint - allein die Verwendung des Dialekts Jesu wäre ein starkes Indiz für die Herkunft aus dem ersten Jahrhundert. Aramäisch war zur Zeit Jesus Christus' die führende Verkehrssprache im Mittleren Osten. Doch nach der Zerstörung Jerusalems durch die Römer im Jahr 70 habe das Aramäische in christlichen Gemeinden praktisch keine Rolle mehr gespielt, argumentiert Frale. Der Apostel Paulus schrieb schon in den 50er Jahren ausschließlich auf Griechisch; die Evangelien sind ebenfalls in griechisch überliefert. Die aramäische Schrift, verbunden mit dem für Juden undenkbaren Totenkult - all das verweist für die Historikerin auf die erste Generation der Christengemeinde. «Es sind Hypothesen», betont sie. Aber «die Indizien zeigen eine Fährte, die es wert ist, weiterverfolgt zu werden». Die Radiokarbon-Untersuchung der 1980er Jahre die das datierte Leichentuch ins Mittelalter datiert hält Frale für fehlerhaft. 2001 entdeckte Frale in den Vatikan-Archiven das Chinon-Pergament. Es beinhaltet die päpstliche Lossprechung vom Vorwurf der Häresie für den Großmeister des Templerordens aus dem Jahr 1308. Es ist ein Schlüsseldokument aus der Geschichte der Kreuzritter. Frale hält es für möglich dass es die Templer waren, die nach dem Vierten Kreuzzug von 1204 in den Besitz der Leichentuch-Reliquie gelangten und sie bis zu ihrem mysteriösen Auftauchen in Frankreich im 14. Jahrhundert hüteten. Der Geheimbund wird von der Überlieferung auch mit dem Heiligen Gral in Verbindung gebracht. Dass der Ursprung des 4,36 Meter langen und 1,10 Meter breiten Leinens im antiken Nahen Osten liegt, dafür verweist Frale auf die lange Überlieferungskette. Berichte über ein wundersames Abbild Christi reichen zurück bis ins vierte Jahrhundert - auch wenn die Identität mit dem Turiner Tuch eher vermutet als bewiesen ist.
Die Frage, ob das Grabtuch von Turin authentische Reliquie eines vor 2000 Jahren in Palästina gekreuzigten und begrabenen Mannes ist, der nach 36 Stunden (Höhepunkt der Fibrinolyse) ohne Verwischung der verflüssigten Blutspuren durch eigene Bewegung oder gar fremdes Handeln aus dem Grabtuch verschwunden ist, versucht der Lehrstuhlinhaber für Technische Chemie und Umweltschutz Eberhard Lindner von der TH Karlsruhe (University of Applied Sciences) gemeinsam mit seinem Kollegen, dem Neutronenphysiker M. Küchle mit einer innovativen Hypothese zu beantworten. Er behauptet das Abbild wäre durch molekulare Umwandlung der Oberfläche des Grabtuchs infolge Neutronenstrahlung entstanden. Diese Erkenntnisse, liefern sogar eine plausible Erklärung für die angeblich falsche Radiokarbon-Analyse aus dem Jahr 1988. Die molekulare Veränderung habe zu einer Verjüngung des Radiokarbon-Alters geführt. Dazu wären allerdings Neutronenflüsse von etwa 1016 Neutronen pro Quadratzentimeter notwendig gewesen. Das sei ein singuläres Ereignis gewesen, das im Simulationsexperiment zwar nachvollziehbar sei, das aber als Ganzes die menschlichen Kräfte übersteigt.
Allein, um auf 1 cm² Leinen durch Elektronenstrahlen die gleiche Gewebefaserzerstörung (Umwandlung der Zellulose-Carbonylgruppen) im gleichen Grad wie auf dem Grabtuch zu erreichen, musste eine Leinenprobe von 1cm² im Abstand von 1 mm dem stärksten Betastrahler Ni63 der Universität Gießen ausgesetzt werden: 2x105 Gy. Danach kann man ausrechnen, welche Energie erforderlich ist um die Abbildung auf dem Grabtuch zu erzielen. Die natürliche Kirlianstrahlung eines menschlichen Körpers ist dafür viel zu schwach. Es müssten also Stromspannungen von mehreren Megavolt von dem Leichnam ausgegangen sein, die in der Natur nur als Gewitterblitze vorkommen und von Menschen des 1. Jahrhunderts nicht erzeugt werden konnten. Dieses Phänomen kennt die Physik als Büschel- oder Coronaentladung, wie sie z. B. ständig an Hochspannungsleitungen auftreten. Besonders zwei Merkmale des Grabtuchs bestätigen Lindners Theorie.
Das Leichentuch enthält Blutflecken nicht nur auf der verstrahlten Vorder- und Rückseite des den Leichnam bedeckenden Grabtuchs, sondern auch auf den nicht verstrahlten Flächen des Grabtuchs, die die Flanken des Körpers eng berührt haben. Das Grabtuch muss also auf allen vier Seiten enganliegend den Leichnam umschlossen haben, damit sich die Blutflecken darauf auf diese Art abbilden konnten. Die Blutspuren verflüssigten sich infolge der Fibrinolyse, die 36 bis 40 Stunden nach dem Tod ihren Höhepunkt erreicht, behielten ihre hellrote Farbe bei und zeigen keinerlei Verschmierung. Sie haben präzise Ränder, ein Zeichen, dass keinerlei mechanische Verschiebung bzw. gewaltsame Auswicklung des Körpers aus dem Tuch stattgefunden haben kann. Andererseits muss das Tuch zum Zeitpunkt der Verstrahlung wie ein glattes planes Brett auf dem Körper in Höhe der Nasenspitze (=höchster Berührungspunkt) gelegen oder besser gesagt geschwebt haben, sonst wären die Abstände Körper – Tuch gar nicht berechenbar gewesen. Dieses Schweben des Tuches ist nur zu erklären durch eine plötzliche Druckwelle als Begleitumstand des Megavoltblitzes, der vom Leichnam ausging und die molekulare Umwandlung der Zellulose in Carbonyl (=Dehydrierung) bewirkte. Das Ganze muss - der Höhepunkt der Fibrinolyse lässt keinen anderen Zeitpunkt zu - zwischen 34 bis 40 Stunden nach dem Tod des Mannes geschehen sein. Später hätte eine Unterbrechung der Fibrinolyse keine klaren Blutspuren mehr ergeben.
Ein weitere Hypothese, die das Abbild auf dem Grabtuch für eine natürliche Verfärbung aufgrund einer so genannten Maillard-Reaktion hält, klingt zunächst einleuchtend. Die Maillard-Reaktion ist eine Form der nicht-enzymatischen Bräunung mit einer Aminosäure und einem reduzierenden Zucker. Eine Reaktion zwischen Kohlehydraten auf der Oberfläche des Tuches und Aminen (Abkömmlinge von Ammoniak). Die potentielle Quelle für Amine, die für die Reaktion benötigt werden, ist aber ein sich zersetzender Körper und auf dem Grabtuch wurden keine Anzeichen von Zersetzung gefunden. Chemische Tests haben angeblich belegt, dass die Blutflecken auf dem Tuch von echtem Blut stammen, die Webtechnik jener von Textilien aus dem 1. Jahrhundert, die in Judäa gefunden wurden gleicht. Die Wunden passen zu römischen Kreuzigungen. Nimmt man all das zusammen, muss das Grabtuch von Turin zu einem Mann gehören, der nach römischer Tradition gekreuzigt, mit Dornen gekrönt, als Jude beerdigt worden war – und dessen Körper vom Grabtuch befreit wurde, ehe er verweste. Der Einzige in der Geschichte auf den all das passt ist zutreffenderweise wohl Jesus von Nazareth. Letztlich bleibt aber dennoch die ungeklärte Frage im Raum stehen, wer als Toter in diesem Tuch gelegen hat und wann.